Rotzkopf ²⁰¹⁵⁻²⁰²²

Typografie, Identität, Siebdruck, Mode, 
Produktentwicklung, Installation, Webdesign, 
Markenstrategie, Alter Ego

www.rotzkopf.com

 

 

EINE FORMBASIERTE IDENTITÄT

 

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Aus einem typografischen Experiment entsteht aus dem Erscheinungsbild und dessen Kontext eine Marke, die sich überwiegend im öffentlichen Raum Aufmerksamkeit verschafft in Form von Installationen, Events und Produkten, die Anstoß zum Aktionismus geben. Rotzkopf steht allerdings trotz radikalem Anschein ausschließlich für sich selbst und eignet sich in dem, wofür die Marke steht, keinerlei Inhalte an.

Aus der Projektbeschreibung verstehe ich, dass Rotzkopf also eine Identität ohne Inhalt ist und demnach für gar nichts steht. Wie kann denn eine Identität für nichts stehen?

Entschuldige die Verwirrung. Das Projekt ist sehr umfangreich, weshalb es mir nicht leicht fällt, das Projekt in zwei, drei Sätzen zu beschreiben. Wie dem auch sei, es gibt natürlich keine Identität, die für gar nichts steht. Denn allein das visuelle Erscheinungsbild reicht ja völlig aus um »für etwas zu stehen«, »etwas zu kommunizieren«, auch wenn nichts mit Worten beschrieben wird. Bei Rotzkopf ist es eben nur das visuelle Erscheinungsbild, das diese Identität ausmacht. Salopp gesagt: es steht einfach nichts dahinter. Trotz subversiver, vermeintlich radikaler Ausstrahlung. Und eben das ist das Befreiende.

Klingt gut, aber ich check’s noch nicht ganz. Wieso denn dann der Aufwand, wenn schlussendlich nichts dahinter ist? Oder warst du zu faul dich festzulegen?

Keineswegs! Ich sag’s mal so: wir leben in einer Zeit, in der ich das Gefühl habe zu allem und jedem eine Meinung haben zu müssen. Rituale, Mode, Semiotik – alles steht für etwas. Unser subjektives Handeln, wie wir uns kleiden, was wir ausstrahlen, resultiert ganz oft aus der objektiven Bewertung unseres Umfeldes und seinen Normen. Selbstverständlich läuft das andersrum auch: Wenn ich mir ein Bild von Individuen meines Umfelds mache, basiert das doch auf ihrem Erscheinungsbild und ihrem Verhalten und dieses Bild ist freilich selten frei von Vorurteilen. Das ergibt einen ständigen Zyklus aus Erscheinungsbild und Bewertung und genau an diesem Punkt streut das Projekt Sand ins Getriebe.

Bedeutet das also, dass Rotzkopf für alles stehen kann und zugleich für nichts?

Nee, das ist Quatsch. Rotzkopf steht einfach für Rotzkopf. Dieses Alles-Und-Nichts-Ding ist aus philosophischer Sicht viel zu bedeutungsschwanger für die Stumpfsinnigkeit, mit der Rotzkopf kommuniziert. Bei den ersten Drucken hätte man das vielleicht sagen können, was aber vielmehr an der Ahnungslosigkeit über die Ausmaße des Projekts meinerseits gelegen hätte. Denn inzwischen wurde visuell so unglaublich viel kommuniziert, dass die Möglichkeit zu behaupten, es würde für alles und nichts stehen, vorbei ist. Und das zum Glück! Denn ich genieße die Entwicklung der Identität sehr.

Das sieht man. Du hattest es eben vom Beginn des Experiments. Wie fing das eigentlich an mit Rotzkopf?

Das war 2013, während des Studiums auf der AKI in Enschede (NL). Ich ging in die Grafikwerkstatt um dort ganz frei mit Druck-Lettern zu experimentieren. Als ich eine Schriftart gewählt hatte die mir besonders gefiel (Helvetica Ultracondensed Bold) bemerkte ich, dass sie leider nicht komplett war. Ich hatte nur 7 Buchstaben zur Verfügung und so schaute ich, was man alles mit diesen 7 Buchstaben schreiben kann. Als ich auf »ROTZKOPF« kam, lachte ich mich innerlich kaputt und fertigte anschließend ein Poster an (Abb. links folgende Seite). Ich finde, der Druck hat etwas Radikales, Propagandahaftes. Nicht nur die Farbkombination, auch Platzierung der Buchstaben und dass manche sich auf dem Kopf befinden, erinnerte mich an alte UDSSR-Poster, an Propaganda in der Soviet-Union.

Die Arbeit lag eigentlich schon gut 2 Jahre als abgeschlossenes Projekt in der Schublade, bis ich die Idee 2015 doch wieder aufgriff. In dieser Zeit beschäftigte ich mich intensiv mit der Ästhetik von Radikalisierung. Ich wollte wissen, welche Bildelemente sich stets wiederfinden und probierte aus, in wie fern diese radikale Atmosphäre typografisch noch kreiert werden kann. Um meinen Fokus vollständig auf die Form zu legen, sollte fortan ausschließlich in Schwarz-Weiß experimentiert werden. Als ich nach ein paar Postern immer noch nicht genug hatte und ich immer noch fasziniert war vom plumpen Potenzial, das damit einhergeht, entschloss ich Rotzkopf meine Examensarbeit werden zu lassen.

Da ich selbst meinen Ursprung in der Graffitiwelt habe, die ja ebenfalls radikalen Gestaltungsprinzipien unterliegt fiel es mir nicht schwer beides zu verbinden. Rotzkopf hatte also von nun an das Ziel, sich möglichst omnipräsent zu verbreiten und den Namen an sich überall auftauchen zu lassen. Und dabei die Grenzen des Graffitis zu überschreiten. Als mir bewusst wurde, dass Graffiti viel mehr sein kann als Züge und Wände zu besprühen, fing ich u.A. an den Namen auf Kleidung zu drucken. Die Essenz des Handgefertigten soll Rotzkopf jedoch nie verlieren.

Jetzt verstehe ich auch, warum es dir so wichtig ist, dass Rotzkopf allein für sich selbst steht…

Genau, weil es vom ersten Druck an nie die Intention gab dem Ganzen einen tieferen Sinn zu geben. Er ist vollkommen willkürlich entstanden und wäre auch nur ein Buchstabe mehr oder weniger vorhanden gewesen, dann wäre es womöglich ein anderer Name geworden oder es wäre nie zu diesem Projekt gekommen.

Druck Nr. 2 (Druck Nr.1 händisch verzerrt)
Druck Nr. 6 (Zwei Stempeldrucke übereinander, 180° gedreht für den Soviet-Look)

GENERATIVE TYPE BOOTH @ AKI FINALS 2015

Zum Zeitpunkt der Installation Generative Type Booth im Sommer 2015 war der gegenstandsbezogene Status Quo: »Ein Schriftbild wird mit analogen Mitteln verzerrt, fotografisch eingefangen und ungeschönt vom Rest des Fotos isoliert.« Die Generative Type Booth ermöglicht Besucher:innen, selbst Schriftbilder von Rotzkopf zu gestalten. In der Zelle wird mit einem Beamer ein gestempelter Rotzkopf Schriftzug über die Länge des Innenraums an die linke Innenwand geworfen. Die Idee ist, auf dem Hocker Platz zu nehmen, sodass der Schriftzug auf dem Oberkörper der Besucher:innen erstrahlt und dadurch verzerrt wird. Es besteht die Möglichkeit, per Fernbedienung den Auslöser einer in der Holzwand eingelassenen Fotokamera zu betätigen. Die entstandenden Bilder erscheinen anschließend auf einem Bildschirm an der Außenseite der Zelle und können auf der Rotzkopf Website heruntergeladen werden. Die Interaktion der Besucher:innen mit dem Ausstellungsobjekt lässt ein hohes Maß an Identifikation mit Rotzkopf entstehen. Die Besucherinnen als ursprüngliche  Empfänger der Nachricht werden somit zum Träger der Nachricht – zum Medium. Und die Nachricht lautet »Rotzkopf«. Das Medium ist die Botschaft!5

5Anlehnung an McLuhan, Marshall und Fiore, Quentin: The medium is the massage, 2. Auflage, Tropen Klett-Cotta, 2012

 

Oben: 12 von 356 Fotos, die während der AKI FINALS Ausstellung in der Generative Type Booth aufgenommen wurden.

Rechts: Verzerrte Schriftzüge als visuelles Resultat der Generative Type Booth. 

Unten: Tanktop mit Typo-Druck aus der Generative Type Booth (Bild unten mittig)

The medium is the m(e)ssage bringt Kleidung als neues Mittel der Namensverbreitung hervor. Neben Wänden, Objekten und Gebäuden sind es natürlich auch Menschen, die das Erscheinungsbild des öffentlichen Raums ausmachen. Seit Projektbeginn wurden deshalb rund 400 unikale Kleidungsstücke zur Verbreitung der Wortmarke in Umlauf gebracht. Angefangen mit einer mobilen Siebdruckstation und der Aufforderung, eigene Kleidung mit zu bringen, um sie kostenlos bedrucken zu lassen, erfolgte der Verkauf zwischenzeitlich auf Ausstellungseröffnungen und Modemärkten. Seit 2019 hat Rotzkopf einen eigenen, unabhängigen Webshop. Statt selbst Kleidung in ihren Schnitten zu entwerfen, handelt es sich bei den Textilien von Rotzkopf fast auschließlich um Secondhand-Ware, die dann als Einzelstücke per Siebdruckverfahren bedruckt werden. Und so, wie Graffitisprüher eine Wand im öffentlichen Raum auswählen, ihr Pseudonym hinterlassen sie dadurch gewissermaßen zu annektieren, sucht Rotzkopf sich Kleidungsstücke aus, bedruckt sie und nennt sie schließlich sein Eigen.

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Rotzkopf © Christian Benecke

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